GitarrenschülerInnen von TiRodrigues

„Wir sind auf dem richtigen Weg!“: Gitarrenlehrer Eric Cathan erzählt vom Projekt „TiRodrigues“

Eric Cathan ist ausgebildeter klassischer Gitarrist und einer der Gitarrenlehrer des MMF-Projektes „TiRodrigues“. Mit 13 Jahren nahm er das erste Mal eine Gitarre in die Hand, mit 15 Jahren packte ihn endgültig das Interesse, das Instrument zu erlernen. Er besuchte Unterricht und begann bereits als 17-Jähriger Gitarrenunterricht zu geben. Er und einige Freunde eröffneten schließlich 1980 eine eigene Musikschule unter dem Namen „Centre Artistique Mauricien“ – es war die erste ihrer Art auf der Insel. Drei Jahre später zog es Eric jedoch nach Paris: Er studierte Musik und Gitarre an der Ecole Normale de Musique de Paris bei Rafaël Andia. Anschließend emigrierte er mit seiner Familie nach Australien, wo er verschiedene Gitarrenfestivals und Konzertreihen ins Leben rief und dabei half, die inzwischen große Vereinigung Classical Guitar Society mit zu begründen. Seit 2017 ist er wieder auf Mauritius und führt seine Mission fort.

Eric CathanEr war künstlerischer Leiter des spanischen Musikfestivals Festival Andalou, gründete das Festival de Guitare Classique und bereitet aktuell das Festival de Musique Classique vor, bei dem auch Kinder von TiRodrigues mitwirken sollen. Eric ist zudem Teil eines 15-köpfigen Gitarrenensembles, das Guitar Passion Ensemble, für das er auch selbst Arrangements schreibt. Die MMF möchte mehr solcher Mentoren und kreative ‚Macher‘ wie Eric zu noch mehr Orten auf Mauritius bringen, um Kindern und Jugendlichen aus sozial schwächeren Gebieten Musikunterricht anbieten und sie und die Musikszene dadurch nachhaltig fördern zu können. Eric hat mit uns seine Erfahrungen und Visionen geteilt.

Eric, zunächst einmal die Frage: Was bedeutet dir Musik? Was für eine Funktion hat sie für dich?

Musik ist Leben. Ich nutze sie, um Barrieren verschiedener Art abzubauen und Grenzen zu überwinden: SchülerInnen helfe ich dabei, sich mehr zuzutrauen, als sie es selbst tun. In meinen Konzertprogrammen integriere ich hingegen Musik, die das Publikum sowohl herausfordern als auch mit bekannten und schönen Melodien belohnen soll. Ich gehöre zu einer internationalen Community an GitarristInnen, die eine gute Karriere hinlegen konnten. Weltweit tauschen wir uns und unsere Musik aus, und überwinden so die geografische Distanz. Dadurch können wir zusammenarbeiten und haben mehr Ideen und gemeinsam Freude an der Musik. Zu guter Letzt setze ich auf die non-verbale Kraft von Musik, um mich auszudrücken, mich und andere quasi zu therapieren, und anderen zu helfen, sich auszudrücken. Ich kann mir mein Leben nicht ohne Musik vorstellen.

Hast du dennoch eine Lieblingsmusikrichtung und was und wie unterrichtest du?

Ich persönlich mag alle Art von Musik, solange sie gut, bedeutungsvoll und von Herzen vorgetragen wird. Als Gitarrist habe ich zwar eine Vorliebe für spanische Musik, aber ich spiele auch viel Bach – das Gitarrenrepertoire ist groß. Wenn ich unterrichte, achte ich erst darauf, dass die SchülerInnen sich mit mir als Lehrer und mit dem Instrument wohlfühlen. Ich begleite sie anschließend auf ihrer musikalischen Reise: Ich ermutige sie, zunächst in einem langsamen Tempo zu lernen und bewusst zu hören. Meine Lernatmosphäre ist entspannt und humorvoll. Ich biete viel Raum für Kreativität. Die SchülerInnen sollen immer das Gefühl haben, etwas erreicht zu haben. Deshalb starte ich mit sehr einfachen Duetten, damit sie direkt ein Gespür für Zusammenklänge und das Zusammenspiel mit anderen entwickeln. Die Musik selbst kann beispielsweise ein netter Blues sein, gepaart mit leichter Renaissancemusik. Ich kombiniere gern verschiedene Musikstile, knüpfe sie aber an die technischen Fortschritte der SchülerInnen. Mit fortgeschrittenen SchülerInnen gehe ich oft in eine manchmal Stunden währende Detailarbeit, übe Interpretation, kollektives Musizieren und die Vortragsart.

TiRodrigues-Gitarrenschülerinnen von Eric Cathan

TiRodrigues-Gitarrenschülerinnen von Eric Cathan

Wie wichtig ist Musik und musikalische Erziehung speziell auf Mauritius?

Musikalische Ausbildung ist überall auf der Welt wichtig. Musikunterricht wird aber leider oft nicht ernst genug genommen in unserer mauritischen Gesellschaft und in vielen anderen Ländern. Neuste Forschungsergebnisse mit Technologien wie den fMRTs (Funktionelle Magnetresonanztomographie) haben erneut bewiesen, wie wichtig Musik hören oder ein Instrument spielen für die Entwicklung des Gehirns ist. Musikalische Betätigung vergrößert das Corpus callosum, den Teil des Gehirns, der die rechte und linke Gehirnhälfte sowie viele weitere Dinge verbindet. Es ist also von großer Wichtigkeit, gerade auf Mauritius, einem so künstlerisch begeisterten und talentierten Land, Musikerziehung mehr zu fördern, um generell Bildungsfortschritte auf die Insel zu bringen. Kinder würden selbstbewusster sein, sich besser konzentrieren können und einfach glücklicher und extrovertierter sein. Ich empfinde die mauritischen Kinder als verhältnismäßig schüchtern.

Wie kann da das Projekt „TiRodrigues“ Abhilfe verschaffen?

TiRodrigues ist ein wagemutiger und sehr guter Schachzug, um die Umstände eines Bezirks durch Musik radikal zu verändern. Es ist wundervoll, eure Unterstützung aus Deutschland dabei zu haben – vielen Dank dafür!

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Wir erhoffen uns durch das Unterrichten und Aufführen von Musik einen Paradigmenwechsel. Das Modell, was dafür angewandt wird, ist ja ein bereits weltweit anerkanntes Konzept, das auch schon durch einige gut bekannte NGOs auf Mauritius durchgeführt wird, zum Beispiel von Mo’Zar oder Vent d’un Rêve – Projekte, die bereits Früchte tragen. Dank des Engagements der MMF-Mitglieder sehe ich auch TiRodrigues sich schnell und als ein solches erfolgreiches Modell entwickeln. Hoffentlich kann das ausgeweitet und an weiteren sozial schwächeren Orten auf Mauritius ebenfalls so durchgeführt werden. TiRodrigues zeigt aktuell großartigen Einsatz, vor allem aufgrund von Doris und Fabio Félicité, ihren Sponsoren und all den anderen, die mitwirken, wie der MMF und den Freunden der Opera Mauritius. Da folgen die LehrerInnen mit großer Freude. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg.

„Eine Musikgruppe sollte genauso normal sein wie ein Volleyballteam.“

Was sind nächste Schritte auf diesem Weg?

Wir benötigen mehr und größere Räumlichkeiten, um die Gitarrengruppen unterzubringen und sie auch nach verschiedenem Fortgeschrittenengrad einteilen zu können. Das Caudan Arts Centre hat uns freundlicherweise angeboten, dort proben zu können. Ein solcher Ort, wie das Caudan Arts Centre, in dem aktuell die meisten kulturellen Veranstaltungen auf Mauritius stattfinden, wird der Gruppe zudem mehr Selbstvertrauen geben und sie dazu motivieren, auch einmal selbst auf der Bühne stehen zu wollen. Ich würde es außerdem sehr begrüßen, wenn noch mehr LehrerInnen weitere Instrumente unterrichten würden. Aber da lässt sich bestimmt etwas machen. Und auch wir Lehrkräfte müssen uns dafür weiterentwickeln: Ich lerne und sehe viel Neues, verändere oder verbessere meine pädagogischen Ansätze. Von all dem erwarte ich viel in naher Zukunft.

Die Gitarrenlehrer von TiRodrigues

Die Gitarrenlehrer von TiRodrigues

Wie nimmst du die aktuelle musikalische Situation auf Mauritius wahr und welche Wünsche hast du für die Zukunft?

Es gibt inzwischen zum Glück einige Institutionen, die Musik zugänglicher machen wie das Konservatorium und einige Musikschulen auf der Insel. Die Standards sind aber insgesamt im Vergleich zu anderen Ländern zu niedrig. Viele der LehrerInnen, die zu diesem Standard beitragen könnten, arbeiten zum Teil allein und für sich in ihren privaten Studios oder Schulen. Sie werden nicht zum pädagogisch-kreativen Austausch eingeladen oder schaffen es nicht, sich zu vernetzen. Außerdem kommen viele mauritische MusikerInnen nicht in den Genuss von professioneller Musikausbildung oder von Profi-Konzerten, es sei denn, es kommen Gäste von Übersee zu Besuch. Dadurch gibt es jedoch keine eigenständig professionelle Musikszene auf Mauritius, obwohl viele Interesse daran und vor allem das Talent hätten, wenn man es nur fördern würde. Vielen fehlt durch die nicht vorhandene Wertschätzung von Musik und dem Beruf der MusikerInnen auf Mauritius das nötige Selbstvertrauen und die Motivation: Wofür MusikerIn werden? Einige gehen immerhin zur Ausbildung ins Ausland und bringen ihr Wissen und ihre Erfahrungen wieder zurück nach Mauritius, ihre Arbeit stößt aber oft auf Widerstände und erreicht zu wenige junge Leute. Die meisten kommen dadurch gar nicht erst in Berührung mit Musik. Das muss sich unbedingt ändern.

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Ein weiteres Problem: Auf Mauritius wird zu viel Wert auf zertifizierte Musikabschlüsse gelegt. Daran ist nichts falsch, aber das Ziel vom Erlernen von Musik sollte mehr sein, als ein Stück Papier zu erlangen. Man braucht Raum zur Entfaltung, um sich in Ruhe auf Musik einlassen zu können: Das Hören, Spielen, Aufführungen und der Kontakt zum Publikum. Das fehlt Mauritius seit ungefähr 40 Jahren. Bis auf einige wenige weiß im Grunde eine ganze Generation gar nicht, wie es um die Musik auf Mauritius steht. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Vor allem Schulen sollten Instrumentalunterricht erteilen und Bands und musikalische Gruppen, Orchester und Chöre ins Leben rufen und fördern. Das sollte genauso normal sein wie ein Volleyball- oder Basketballteam.

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