Wie die Operette „La Veuve joyeuse“ mit ihren Melodien Mauritius eroberte
Jacques „Cancan-Komponist“ Offenbach in Paris und Johann „Walzerkönig“ Strauss in Wien waren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die ersten erfolgreichen Operettenkomponisten. Die Strauss’sche Zeit in Wien wird daher auch als „goldene Operettenära“ bezeichnet. Der österreichisch-ungarische Komponist Franz Lehár (1870‒1948) schaffte es jedoch mit seinen Werken und einer neuen, spätromantisch geprägten Orchesterklangsprache dort anzuknüpfen und konnte damit Anfang des 20. Jahrhunderts eine „silberne Operettenära“ einläuten. Wurde die Melodik von Strauss als „zündend“ wahrgenommen, so gab es für Lehár nun das Attribut „prickelnd“.
Dabei sollte es erst ganz anders kommen: Auf Wunsch seines Vaters strebte Lehár eigentlich an, Geigenvirtuose zu werden. Als Antonín Dvořák beim Anblick zweier seiner Werke jedoch zu ihm sagte „Hängen Sie die Geige an den Nagel und komponieren Sie lieber“, war er heilfroh und tat, wie ihm befohlen wurde. Zunächst tätig als Geiger und Marinekapellmeister, kam er bald nach Wien und wendete sich der Komposition von Bühnenwerken zu.
Lehárs erste Operettenversuche waren zwar noch mäßig erfolgreich, doch als ihm der Theatertext L’Attaché d’ambassade von Henri Meilhac in die Hände fiel und Victor Léon und Leo Stein ein Libretto daraus gestaltet hatten, änderte sich das schlagartig. Seit ihrer Uraufführung 1905 in Wien gilt La Veuve joyeuse (Die lustige Witwe) bis heute als eine der erfolgreichsten Operetten aller Zeiten. Es entfachte sich eine internationale Begeisterung, welche die Veuve 1906 nach Hamburg, 1907 nach Mailand, London und New York, 1909 nach Paris und 1914 sogar bis nach Mauritius brachte, wo sie seitdem vier weitere Neuproduktionen erlebte (1958, 1976, 1982, 1993). Doch was ist so besonders an dieser Operette, was ist das „Prickelnde“?
Die Vorgeschichte ist ein wenig verzwickt. Danilo und Hanna stammen beide aus dem für die Operette erfundenen Ort Marsovie und liebten sich einst. Sie konnten aber aufgrund ihrer unterschiedlichen Herkunft nicht zusammen sein. Einige Zeit später ist Hanna eine reiche Witwe. Danilo treibt sich als Junggeselle im Maxim herum, einem Ort der Halbwelt, wo nie der Schnaps und die Frauen (in dem Milieu auch Grisetten genannt) ausgehen. Auf einem Ball in Paris, den der Gesandte von Marsovie veranstaltet, damit Hanna sich unter den marsovischen Männern einen aussucht, ihn heiratet und so das Geld im eigenen Land bleibt, treffen sich Hanna und Danilo wieder.
Hier beginnt die Operettenhandlung erst richtig. Diese ist schneller erklärt: Eigentlich soll Danilo der Witwe seine Aufwartung machen. Als sie sich treffen und wiedererkennen, verlieben sie sich auch erneut, doch es kommt zu Verwirrspielen. Danilo hat Angst, Hanna könnte denken, er wolle sie nur ihres Geldes wegen. Und Hanna verlobt sich mit der Affäre einer ihrer Freundinnen, um sie vor einem Eheskandal zu schützen. Erst als sich alles aufklärt, können sich Hanna und Danilo im Duett „Heure exquise“ (Lippen schweigen) ihre Liebe gestehen.
Die Oper kann zudem politisch verstanden werden. Interessant ist vor allem die Darstellung der Geschlechter, Ehe und Erotik. Die Frauen haben „Damenwahl“ beim Tanz und darüber hinaus – es gibt übrigens auch hier einen Cancan. Frauen und Männer haben gleichermaßen die Oberhand und dürfen ihre Liebe frei ausleben. Das Modell einer konservativen Ehe wird auf die Probe gestellt. Das ist etwas, was den emanzipatorischen Zeitgeist um 1900 einfängt, wie die Debatte um das Frauenwahlrecht, aber nicht zwingend von allen gern gesehen wurde – außer auf der Bühne zur Unterhaltung und in der Halbweltszene natürlich. Daneben gibt es einen Konflikt zwischen Groß- und Kleinstaat, zwischen Frankreich und Marsovie, der ausgetragen wird.
Das „Prickelnde“ ist daneben aber vor allem in der Musiksprache zu hören. Jeder der drei Akte zeigt einen Ball, bei denen die vielen Tänze und Lieder die Halbwelt und das Liebesknistern zwischen den Figuren aufleben lassen. Wichtig dabei war für Lehár besonders die Melodie. „Was ich suche und immer wieder suche, das ist die Melodie… es ist eine Arbeit, glauben Sie mir!“, soll er einst gesagt haben. Wer genau hinhört, kann beispielsweise feststellen, dass bereits in der Vilja-Märchenballade, in der es um das Waldmägdelein Vilja und einen sich liebeskrank nach ihr sehnenden Jäger geht, die Melodie für das spätere Liebesduett anklingt. Die Liebesgeschichten werden so inhaltlich und musikalisch verknüpft.
Themen wie Geschlechterverhältnisse und Ehe sind weiterhin hochaktuell, Konflikte zwischen verschiedenen Ländern – auch im Sinne eines Kolonialismus- oder Abhängigkeits-Problems – immer noch vorhanden. La Veuve joyeuse bietet daher auch heute noch beste Voraussetzungen für weitere Produktionen, vor allem auf Mauritius. Dort gehört die Operette seit damals nämlich zum nationalen Kulturgut, die Stücke sind im kollektiven Gedächtnis verankert, bestens bekannt und werden gesungen, wie neulich bei der „Night at the Opera“. Der Melodiefaden reißt also nicht ab, und wir können auf eine neue, sechste Veuve-Produktion 2018 auf Mauritius gespannt sein. Wie wird sie aussehen? Welche Gedanken macht sich das Team bereits zur Umsetzung? Bald mehr dazu!
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