Mauritius

Theaterpraktikum auf Mauritius: Ein Reisebericht von Barbara Graffy

Bonsour! Sa va?

Ich hatte das große Geschenk und Privileg, diesen Sommer für mein verpflichtendes Theaterpraktikum nach Mauritius kommen zu dürfen. Kurz zu mir: Mein Name ist Barbara Josepha Graffy und ich studiere Lehramt auf Musik, Katholische Theologie und Theater für die Sekundarstufe I in Freiburg im Breisgau, von wo ich auch gebürtig stamme. Aber wie bin ich denn nun nach Mauritius gekommen?
Barbara GraffyEhrlich gesagt, wollte ich schon immer mal nach Afrika, spätestens vor dem Abi keimte der Wunsch – wohin genau, das blieb für mich lange Zeit offen oder zeigte nur zeitweise bestimmte Tendenzen. Über ein dreiviertel Jahr zuvor begann ich mit der konkreten Recherche. Immer wieder fand ich Unterstützung, aber die damalige Weltsituation durch diverse Einschränkungen machte alles nicht so einfach. Kurzum: Durch Zufall und Bekanntschaft stieß ich auf den Verein der Freunde der Opera Mauritius. Diese wiederum haben mich weiter verwiesen auf das Theater des Caudan Arts Centre in Port Louis, wo ich sehr beglückt aufgenommen und reichlich mit Erlebnissen erfüllt wurde. Dazu später mehr.

Erstmal zu meinen ersten Eindrücken: Besonders beeindruckend an Mauritius fand ich die religiöse Offenheit, den lockeren Umgang miteinander, die Entspanntheit und dass die Leute dort alles, was sie tun, mit größter Liebe und Sorgfalt machen – nicht gerade selbstverständlich unter den dortigen finanziellen Umständen. Von Mauritius selber hatte ich vorher ganz andere Vorstellungen, wie z. B.: eine afrikanische Bevölkerung mit einigen Deutschen, sehr viele Party Locations und die Bevölkerung hat Französisch als Muttersprache. Als ich mit ganz anderen Gegebenheiten vor Ort konfrontiert wurde, habe ich mich oftmals erstmal umstellen müssen: Es gibt z. B. keine Busfahrpläne, sondern es werden sogar Termine um bis zu zwei Stunden einfach so nach hinten verschoben (ohne dass sich beschwert wird). Außerdem wird sich sehr besorgt um einen gekümmert und gerne so oft wie möglich nach dem persönlichen Befinden gefragt: Ça va? How are you? Selbst wenn es manchmal nur Alltagsfloskeln waren, habe ich mich dadurch nie unbeachtet gefühlt – besonders, wenn alle Anwesenden immer einzeln umarmt wurden und wirklich jeder ganz bewusst herzlich begrüßt wurde.

Caudan Arts Centre

Theater des Caudan Arts Centre

Nun zum Praktikum: Mit mittlerweile 23 Jahren habe ich schon eigene Musical- und Theatererfahrungen machen dürfen, jedoch hat das Praktikum im mauritischen Theater inhaltlich und kulturell mein Niveau nochmal auf ein deutlich anderes Level angehoben. Die musikalische Kultureinbettung (insbesondere des Sega) und der theatrale Einbezug von Problematisierungen der dortigen Politik und Gesellschaft (z. B. häuslicher Gewalt) fand ich sehr gelungen. Es hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, durch und im Theater die Bedürfnisse, Verlangen und Notstände aufzugreifen, um dadurch einen Teil leisten zu können, die Welt zu verändern. Die Aufführungen verschiedener Theater- und Kulturgruppen unter einem Dach des Theaters des Caudan Arts Centre repräsentieren also sehr gut die unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten und Kulturen. Musikalisch sind die MauritierInnen wirklich begabt, was ich so mitbekam, nur leider ist Musik dort nicht allzu hochangesehen. Ich hoffe, dass sich dies dort und weltweit bessert in Zukunft, denn durch die essentiellen Bereiche der Musik sowie des Theaters kann man die Volksmeinung laut werden lassen und Fehlstellungen bewusst machen.

PraktikumInnerhalb meines Praktikums habe ich vor allem technische, probenbezogene und organisatorische Dinge des Theaterlebens kennengelernt. Ich hatte mit unterschiedlichsten Theater- und Altersgruppen von Laien bis Profis zu tun. Dabei durfte ich auch kleinere Sequenzen intensiv mitgestalten und vorbereiten: bei den Jüngeren meist die Aufwärmphase und für die Älteren Übungen für die Atmung, Teamfähigkeit, Kreativität und Konzentrationssteigerung. Daneben habe ich vor und hinter der Bühne viel zugehört, zugeschaut, mitgeschrieben, mich manchmal mit Ideen, Kritik und seelsorgerlicher Ermutigung einbringen dürfen oder bei der Technik (Licht-, Stromfunktion und -ausrichtung) und Bühnenbildtechnik geholfen. Der Theaterdirektor Ashish Beesoondial war mein Ansprechpartner, der mich ins Theatergeschehen einführte, allen vorstellte und mein persönlicher Seelsorger in jener Zeit war; und das, obwohl er selber sehr eingebunden war. Unter ihren Fittichen hatten mich aber meist die Techniker – bei Hausführungen, Technikproben und Auftritten. Jedoch war ich sehr frei in meinem Handeln, und ich wurde von Anfang an gleich ins Herz von allen aus den Teams geschlossen – das fühlte sich wunderbar an!

Barbara GraffyGanz intensiv war ich bei den hausinternen Projekten Un tramway nommé Désire (Endstation Sehnsucht) und Tigann dabei. Darüber hinaus nahm ich auch an Proben der Mittelklasse von englischsprechenden SchülerInnen teil, beim Gitarrenunterricht, bei Besprechungssitzungen etc. Gleichzeitig war es auch interessant, durch Auftritte externer Gruppen allgemein die mauritische Musik- und Theaterkultur kennenzulernen – so sah ich unter anderem Fas à farse, The Merchant of Moris, Vorstellungen des Musikkonservatoriums sowie einiger Sängerinnen und Musiker. Mein absolutes Highlight war das Musical Tigann, da mir die Kombi aus Musik, Theater und Bewegung sehr gut gefiel. Trotz des melancholischen Charakters des Stücks über familiäre Gewalt waren auch viel Lebhaftes und Humor eingebaut, und dass die SchauspielerInnen alle junge Erwachsene wie ich waren, machte es für mich noch zugänglicher.

Aus den geplanten drei Wochen, von denen mich die ersten zehn Tage meine Familie begleitet hat, wurden es über fünf Wochen Aufenthalt. So wurde ich nach unserem gemeinsamen „Hotelurlaub“ herzlichst bei einer jungen mauritisch-beheimateten Kleinfamilie aufgenommen, welche mich nochmal tiefer in Land und Leben eingeführt hat. Nun, ich war letztlich für die Praktikumsabsolvierung gekommen und nicht, um Urlaub zu machen, weshalb ich doch leider nur wenige Tage hatte, um Mauritius kennen zu lernen.

Chapelle au toit rouge

Chapelle au toit rouge

Trotzdem habe ich einiges gesehen: die Oststrände, religiösen Feste, den Central Market mit dem besten Essen ever (unter anderem der Nationalspeise Dhal, scharfem Piment und Honig von der Nachbarsinsel Rodrique), den Berg Pieter Both, das Blue-Penny-Museum, die Chapelle au toit rouge beim Cap Malheureux sowie die schönen bunten Erdschichten. Das nächste Mal kommt bestimmt! Ich werde sehnlichst erwartet. Und wer weiß, ob sich bis dahin nicht auch etwas in Bezug auf das historische Opernhaus ergibt – das würde mich natürlich sehr freuen. Leider durfte ich das Gebäude, Stand diesen Sommer, nur von außen betrachten.

Die Reise wirkt noch nach: Als ich nach Deutschland zurückgekommen bin, merkte ich, dass ich viel offener im Umgang mit andersfarbigen und anderssprachigen Menschen gewesen bin. Es hat mich sehr erstaunt und zugleich ungemein gefreut, diese Weltoffenheit erleben und nun auch selber weitergeben zu können! Zum Schluss eine Empfehlung für diejenigen, die nach Mauritius kommen wollen: Am besten nach 18 Uhr nicht mehr draußen unterwegs sein, und trotz allem muss ich betonen, dass diese Insel meinem Gefühl nach sicherer ist als Deutschland. Und habt keine Scheu: Mauritius ist nicht so „out-of-the-world“, wie man vielleicht denkt; in manchen Bereichen sind die dort sogar besser aufgestellt und versorgt als wir (technisch, nahrungstechnisch etc. pp.). Und nicht zu vergessen: Zieht euch im Flugzeug warm an. Nach dem Rückflug war ich für drei Wochen krank wegen der Zwölf-Stunden-non-stop-Klimaanlage …

Barbara Graffy

Für mich geht es jetzt erstmal im Studium weiter. Ich schreibe dieses Wintersemester meine Bachelorarbeit und werde dann in den Master starten. In Bezug auf Zukunftspläne bin ich immer noch offen – ich habe einen neuen Arbeitsmarktbereich intensiv kennengelernt und bin stets am Beten, dass mir Wege geöffnet werden, wo es mich beruflich und freizeitlich hinzieht. Für mich geht es jetzt im Studium weiter, aber mein Leben hat sich seit Mauritius gefühlt um 180 Grad gedreht. Ich weiß nun mehr, was für mich im Leben zählt und wichtig ist und wofür ich dankbar bin – für alle (übernatürlichen) Erlebnisse, geniale neue Freundinnen und Freunde, aber auch: meine Heimat.

Viele Grüße
Eure Barbara

P.S. Ich freue mich, von Euch zu hören, und: Aus einer Kokosnuss trinken, ihr Fleisch essen und Zuckerrohr schlotzen, muss unbedingt jeder auf der Insel mal gemacht haben!

1 Antwort

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert