Strobl

Der erste Geigenbauer von Mauritius

Roland Strobl ist jemand, der einfach macht. Roland kraxelt auch schon mal den Tourelle du Tamarin (522 m) hinauf, auch wenn es da nur dichtes Dorngebüsch und keine Wege gibt und kaum ein Mauritier jemals oben gewesen ist. Abgesehen von den Bergtouren besteht so ziemlich Rolands ganzes Leben aus Musik. Ohne seine Gitarre geht er sowieso nirgends hin, aber mit ihr kommt er wirklich überall rein und mit jedem ins Gespräch, weshalb ein Großteil der Insel mittlerweile mit Roland per Du ist. Aber eigentlich ist Roland Strobl Geigenbauer und hat zwischen Februar und April in Tag- und Nachtschichten an die dreißig Streichinstrumente in Mauritius generalüberholt. Und vierzig Bögen frisch bezogen.

Wartung dringend nötig

Zu dem vielen, was in musikalischer Hinsicht auf Mauritius fehlt, gehören Musikinstrumente. Geschätzt fünf bis zehn Kontrabässe auf ca. 1,3 Millionen Einwohner beispielsweise ist eine äußerst dürftige Quote. Aber immerhin, es gibt welche, und es gibt mittlerweile auch einige Blasinstrumente, ein paar Celli und eine ganze Reihe von Geigen. Was es aber überhaupt nicht gibt auf Mauritius, ist ein Geigenbauer, oder zumindest jemand, der sich trauen würde, auch mal den Sattel einer Gitarre abzuschleifen, oder der eine Idee davon hätte, wie man einen Geigenbogen neu bespannt.
Deshalb war Roland Strobl schon einmal hier, vor vier Jahren, rund um die Produktion von „Dido und Aeneas“. Neben den Gastorchestern, die ab und zu mal auf der Insel zu Besuch sind und natürlich ihre eigenen Instrumente im Gepäck haben, gibt es auf Mauritius nicht sehr viele Orte, an denen regelmäßig Musik gemacht wird. Einer dieser Orte ist die Musikschule in Mangalkhan. Vierzig Kinder und Jugendliche sind es mittlerweile, die hier ein Instrument lernen. Und auch wenn sie längst nicht alle ein eigenes (Leih-)Instrument mit nach Hause nehmen können, so spielen sie doch täglich darauf. Denn täglich kommen sie hierher, um eine warme Mahlzeit, Hausaufgabenhilfe und eben Musikunterricht zu erhalten — und immer freitags alle zusammen als Orchester zu proben.
Angesichts dieses Pensums ist auch der Bedarf an regelmäßiger Wartung des Instrumentariums beträchtlich, selbst wenn man nur an die ganz grundlegenden Arbeiten denkt, die nötig sind, um die Instrumente überhaupt in einem spielfähigen Zustand zu halten.

Temporäre Werkstatt

Die acht Wochen des Aufenthalts sind durchaus knapp bemessen gewesen. Das Bespannen eines einzigen Bogens dauert etwa eine Stunde. Neu zu bespannen waren über vierzig Stück. Und die Wartung der Instrumente ist ungleich aufwändiger; an manchen Fällen hat Strobl zusammengerechnet mehrere Tage laboriert. Und bald waren es nicht mehr nur die Schülerinstrumente aus Mangalkhan, schnell hatte sich herumgesprochen, dass es da gerade einen Geigenbauer auf Mauritius gibt, und die „Patienten“ kamen auch von außerhalb in die kleine provisorische Werkstatt, die sich Strobl in den ehemaligen Gebäuden der Musikschule eingerichtet hatte. Ursprünglich gehörten diese Gebäude zu einer Pferderennbahn. Dann zog die Musikschule ein. Vor einem halben Jahr musste diese aus Platzgründen in ein größeres Gebäude in der Nähe umziehen. Jetzt findet hier nur noch der Unterricht für die Blechbläser statt, sodass Strobl die meiste Zeit des Tages ungestört dort arbeiten konnte.

Die Probleme von Instrumenten in den Tropen

Neben den Abnutzungserscheinungen, die für Streichinstrumente typisch sind und die vor allem die Bogenhaare und die Saiten betreffen, ist das Klima das Hauptproblem. Es ist warm und feucht auf Mauritius und die Temperaturen schwanken stark. Keines der Instrumente ist ursprünglich in diesem und für dieses Klima gebaut worden. Die meisten der Streichinstrumente sind billige Massenware aus China, aus Sperrholz und mit Plastik-Griffbrettern. Vor Kürzerem oder Längerem sind sie nach Mauritius importiert worden. Jedes Instrument macht unter dem Einfluss der neuen klimatischen Verhältnisse, aus denen es nicht stammt, über ein bis zwei Jahre hinweg eine relativ starke Veränderung durch. Holz zieht sich zusammen oder quillt auf, und da in den Instrumenten verschiedene Hölzer verbaut sind, die sich unterschiedlich verhalten, passt sehr bald nichts mehr zusammen. Die Folgen sind immer ähnlich: Die Wirbel, mit denen sich die Saiten stimmen lassen, verändern sich anders als die Bohrlöcher, in die sie eingefügt sind. Und der Hals verzieht sich, biegt sich unter dem Zug der Saiten nach vorn, sodass die Saiten zum Teil mehrere Zentimeter über dem Griffbrett liegen. Völlig aberwitzig, darauf noch stimmige Töne erzeugen zu wollen. Wirbel einsetzen und Hälse richten, das waren folglich die Hauptarbeiten für Strobl.

Der Patient

Der Patient

Lehrling

Und für Lorenzo. Lorenzo, 20 Jahre alt, ist der Sohn einer der Betreuerinnen in der Musikschule. Er ist mit der Schule mittlerweile fertig, jobbt ein wenig als Kellner, hat aber bislang keinen Ausbildungsplatz bekommen — ein typisches Schicksal in diesem Stadtteil. So lag es für Strobl nahe, den Besuch „nebenher“ auch noch dafür zu nutzen, zumindest jene grundlegenden Kenntnisse und Fertigkeiten an Lorenzo weiterzuvermitteln, die es für den normalen Wartungsbetrieb braucht. Gerade für jene genannten typischen Probleme ist jetzt also jemand da, auch nach der Abreise Strobls: der erste mauritische Geigenbauer-Lehrling seit langer, langer Zeit.
Strobls bereits erwähntem Talent, nicht nur gute Ideen zu haben, sondern sie auch sogleich in die Tat umzusetzen, ist übrigens, zu allem Überfluss, auch noch dieses Video zu verdanken, in dem auch Lorenzo auftritt. Geigenbau als wunderbar poetischer Musikclip, mal eben aus der Hand geschüttelt.

Schoko

Wobei Schoko daran nicht ganz unschuldig ist. Schoko heißt eigentlich Sebastian Kölbl, ist Trompeter und Komponist, war Jungstudent in Salzburg und hat eine eigene Band, namens Schoko. Auch für Schoko ist eigentlich alles Musik und jedenfalls Musik alles. Da ziemlich dringend ein Lehrer für die Blechbläser der Musikschule gebraucht wurde, hat Strobl spontan auch noch Schoko eingeflogen, auf eigene Kosten. So kamen die jungen Trompeter und Posaunisten in den spontanen Genuss, einige Wochen lang täglich ausführlichen Unterricht zu bekommen. Und Schoko fand Inspiration reichlich, täglich ein, zwei neue Songs zu komponieren und an ein paar Videos zu werkeln.

Schoko

Trompetenunterricht mit Schoko

Ärztinnen

Und dann sollte noch von Lisa gesprochen werden. Lisa Rogmann ist Strobls Freundin, sie ist Ärztin. Mit einer Freundin, ebenfalls Ärztin, hatte sie eigentlich Südamerika bereisen wollen, hat sich naheliegender Weise dann aber für Mauritius (und die Nachbarinsel Rodrigues) entschieden. Es gibt zwar eine allgemeine kostenlose Gesundheitsversorgung auf Mauritius, aber wenn man kein Geld hat, sind die Leistungen äußerst rudimentär. Und da Rogmann offensichtlich eine ist, die einfach macht, haben auch die beiden neben ihrem Urlaubsprogramm einige Nachmittage im Musikkindergarten verbracht — und mit über 40 Kindern einen grundlegenden Gesundheits-Check gemacht.

Nebenher konnten sie auch noch einige Stücke des dringend benötigten Ahorn- und Fichtenholzes aus Europa mitbringen. Man braucht nicht viel davon, aber sie sind für die Reparatur von Instrumenten unerlässlich — auf der ganzen Insel aber schlicht nicht zu bekommen.

Manchmal liegt alles an ein paar Stücken Ahorn- und Fichtenholz. Und an Menschen, die einfach machen.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Spenderinnen und Spendern und all unseren Mitgliedern, die mit ihren Beiträgen nicht nur Roland Strobls Reise ermöglicht haben, sondern auch die Anschaffung alles essentiellen Werkzeugs, das Lorenzo und dem Musikkindergarten nun zur Verfügung steht.

Mehr Informationen zu Roland Strobl.
Mehr Informationen zu Schoko.

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